Allgemein Gedanken einer Mama

Vorurteile

8. Mai 2015

BallonsIch gebe zu: ich habe sie. Oft. Vorurteile gegenüber anderen Mamas und Menschen im Allgemeinen. Wunschkaiserschnitte wollen nicht in meinen Kopf und die „ich greife lieber freiwillig zur Flasche“-Mamas sind nix, mit dem ich mich identifizieren kann. Aber so ist das eben mit Kindern.. jeder macht es irgendwie anders. Es fällt mir dennoch schwer, andere Sichtweisen zu akzeptieren und manchmal nicht völlig entrüstet „waaaaas?“ zu schreien. Geht Euch das auch manchmal so? Das ihr nur den Kopf schütteln möchtet? Je länger ich jedoch Mama bin, umso mehr muss ich mich damit abfinden… das andere Menschen andere Wege gehen.

Aber um mal ein persönliches Beispiel zum Thema Vorurteile zu nennen: ich habe mich viele Jahre über Leute lustig gemacht, die in Kaufhäusern und an total wolkenverhangenen Tagen mit Sonnenbrille umher gerannt sind. Mein erster Gedanke: immer diese Idioten, die so obercool tun müssen… Poser, Angeber, Deppen! Auf einige traf das vielleicht zu… Aber: irgendwann sah ich im Fernsehen eine Doku über ein Mädchen, welches nahezu komplett erblindet ist und daher eine verdunkelte Brille aus gesundheitlichen Gründen tragen muss. Ich schämte mich. Für mich, meine Einstellung, meine Vorurteile. Und dann wurde ich Mama. Und alles wurde noch viel schlimmer. Ich gebe zu: ich bin grundsätzlich ein Mensch, der ziemlich überzeugt ist von seiner Meinung und seinem Vorhaben – es sei denn.. tja… mich vom Gegenteil zu überzeugen ist mächtig schwer. Aber mit Kind kommt man nicht drum herum Entscheidungen und Ideen zu überdenken um letztlich vielleicht doch alles anders zu machen, als man es sich vorgenommen hat. Ich hatte hier schon mal zu dem Thema geschrieben.

Nichts desto trotz hatte und habe ich natürlich Vorurteile, die da so in meinem Köpfchen umherschwirren. Mutter mit brüllendem Kind im Kaufhaus? Ja muss die denn auch schon mit so nem kleinen Würmchen in die Reizüberflutungshölle? Das sie aber vielleicht dringend Windeln brauchte, alleinerziehend ist und daher keine Hilfe hat… tja.. man weiß es nicht. Und genau aus diesem Grund kann man nicht urteilen. Zumindest nicht vorschnell. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Mütter die ihr Kind kontrolliert schreien lassen und sich auch sonst nicht genug kümmern. Aber das ist ja nicht das Thema. Ich habe eine Menge Kopfvorurteile und mache mir viele Gedanken dazu. Beispiel?

Eine Mama die ihrem Kind die Flasche gibt…

  • hat vielleicht vorher abgepumpt und gibt so die Muttermilch
  • kann vielleicht nicht stillen, weil sie Medikamente nehmen muss
  • muss vielleicht zufüttern, da sie trotz allen Versuchen nicht genug Milch hat

Eine Mama, die ihr Kind schief und krumm im Tragetuch vor sich trägt…

  • übt vielleicht noch das Binden und hatte einen schlechten Tag
  • war froh, dass brüllende Kind (egal wie) in das Tuch zu bekommen
  • hat ein Zappelkind, welches jede noch so feste Wickelweise zerstört

Ich erinnere mich noch an meine ersten Versuche ohne die Hilfe meiner Hebamme… ich weiß noch, dass an diesem Tag der Kamin im Wohnzimmer vor sich hin flackerte und in mir mehr als einmal der Wunsch aufkeimte, das verdammte blöde (ich zitiere mich) „Drecksscheisstuch“ dort hinein zu werfen. Solle es doch Feuer lodern *muahaha* Nun.. ich war jedenfalls gerade zu Beginn oft mit einem krumm und schief gebundenem Tuch spazieren. Die Zeit richtete dann alles und mit jedem Tag kam ich besser zurecht.

Eine Mama, die ihrem Kind Gläschen füttert…

  • ist froh, da es das Einzige ist, was ihr Kind zu sich nimmt
  • hatte keine Zeit selbst zu kochen, da sie ein high need Kind hat, was vorzugsweise stundenlang schreit

Hierzu noch eine persönliche Anekdote: unser Kindlein ist ja bis heute eine der schlechtesten Esserinnen der Welt. Auf jeden Fall war ich eines Tages so fertig mit meinen Essensnerven, dass ich zum dm gefahren bin und so ungefähr jedes Gläschen was da so rumstand in den Wagen geschmettert habe. Zufällig begegnete ich einer Mami, die ich aus dem Schwangerschaftsyoga kannte. Argwöhnisch schielte sie in meinen Wagen und schien die Nase zu rümpfen, was mir wahrlich nicht entging. Ich sah aus wie eine Mutter die unfähig ist ihrem Kind eine gesunde Mahlzeit zuzubereiten. Ich sah mich in eine Ecke gedrängt und holte auch sofort zum Rundumschlag in Sachen Erklärungen aus. Ich erzählte ihr unseren Leidensweg in Sachen Nahrungsaufnahme und das gerade alles wie ein Kartenhaus zusammen bricht und ich keinen Ausweg mehr sehe und daher Brei probiere. Sie grinste nur. Und ich fühlte mich nach der Erklärung auch nicht wirklich besser.

Eine Mama, die ihr brüllendes Kind nicht beruhigen kann..

  • kann es in diesem Moment einfach nicht beruhigen, weil sich das Kleine nicht beruhigen lässt! Punkt.
  • hat vielleicht 24 Stunden nicht geschlafen und gibt sich trotzdem alle Mühe…

Dabei helfen übrigens weder argwöhnische Blicke ergrauter Damen noch bissige Kommentare von anderen Müttern! Bevor ich überhaupt schwanger war hatte ich mal eine Begegnung mit einer Mama und ihrem Säugling in der S-Bahn. Das Kind brüllte wie am Spieß, der Frau standen die Schweißperlen auf der Stirn. Es war ihr sichtlich unangenehm, doch egal was sie tat: das kleine Menschlein ließ sich nicht beruhigen. Sie tat mir leid, tuschelten die Leute doch schon um sie herum. Doch was konnte ich tun? Ich warf ihr einen Du-schaffst-das-schon-Blick zu, doch ich bekam nur einen Du-hast-doch-keine-Ahnung-Aufschlag zurück.

Im Grunde genommen kann ich diese Liste endlos weiter führen…

  • Eine Mama, die ihrem Kind einen Schnuller gibt…
  • Eine Mama, die ihrem Säugling erlaubt, auf dem Bauch zu schlafen…
  • Eine Mama, die ihr Baby bei sich schlafen lässt…
  • Eine Mama, die ein Nestchen ins Bettchen packt

Mit der Zeit habe ich meine Vorurteile – die übrigens immer nur in meinem Kopf umherspukten – sein lassen. Bringt ja nix. Jeder geht seinen Weg, ob er der Richtige ist, sei mal dahin gestellt. Für viele Dinge gibt es einen Mittelweg, es muss ja nicht nur das eine oder das andere Extrem sein. Man muss ja auch nicht missionieren oder so. Denn: jedes Kind ist genauso unterschiedlich, wie wir Eltern es sind. 

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  • Jasmin 8. Mai 2015 at 12:05

    Auch wenn ich mich wiederhole: Super geschrieben und ich kann mich in Deinen Ausführungen wiederfinden. Zum Glück gibt es nicht nur schwarz oder weiß und wir Mütter (wir alle) sollten uns das Leben nicht mit Vorurteilen untereinander schwerer machen. Den Mut zu haben eventuell mal nachzufragen, warum eine Mutter entsprechend handelt, könnte doch schon für Aufklärung sorgen. Ich persönlich finde diesen Wettbewerb untereinander immer noch ganz furchtbar und das Getuschel, wenn mehrere Mütter aufeinandertreffen sowieso.
    LG und mach weiter so!

    • kathi 8. Mai 2015 at 13:39

      Liebe Jasmin 🙂 Danke für dein Feedback, was mich sehr freut :* Getuschel ist ein sehr treffenden Wort… gott, wie oft wurde in der Krabbelgruppe getuschelt, wie oft wird beim Kinderturnen getuschelt… nerv nerv nerv! 😉

  • Sina 8. Mai 2015 at 15:14

    Sehr zutreffend geschrieben. Und ich erwische mich auch ständig, wie diese ganzen Vorurteile durch meine Gedanken ziehen aber wenn ich es merke versuche ich sie abzustellen. Es gibt eben nicht nur den einen richtigen Weg, jeder lebt auf seine Weise und wenn wir das akzeptieren können dann ist es nicht nur unter uns Müttern viel angenehmer;)

    Alles Liebe
    Sina

  • Missy 8. Mai 2015 at 15:53

    Das hast du sehr schön geschrieben und man sollte immer wieder versuchen, Situationen und andere Menschen nicht mit dem „Einmal“blick in eine bestimmte Schublade zu stecken.

    Berufsbedingt habe ich allerdings ein ziemlich gutes Gespür für Menschen entwickelt und meine ersten Eindrücke musste ich nur selten nochmal revidieren. Zumindest was generelle Charaktereigenschaften betrifft.

    Ich bin jedoch auch milder geworden in vielen Dingen „Gruseltrage? Egal, sie trägt und möchte ihrem Kind was Gutes!“ usw. 🙂

    Liebe Grüße!

    • kathi 8. Mai 2015 at 19:14

      Da sprichst Du was an… Gruseltragen… ich muss mir immer und immer wieder so auf die Zunge beißen wenn ich eine Familie mit einem Kind im Babybjörn hängen sehe :/ Ich weiß, sie meinen es nur gut und wissen es nicht besser. Das Kind tut mir trotzdem leid.

  • Anne 8. Mai 2015 at 16:21

    Liebe Kathi, eine Kollegin hatte nach einer höllischen ersten Geburt einen Wunschkaiserschnitt, hat relativ schnell abgestillt, weil sie unabhängig sein musste (Theaterleben…), IMMER ein Gläschen in der (Tanz-)Tasche – und ist die beste, gelassenste, liebevollste Mama, die man sich vorstellen kann. Weg mit den vorschnellen kritischen Stimmern in unseren Köpfen – keine Mama hat sie verdient! Alles Liebe, ein schönes WE – Anne

    • kathi 8. Mai 2015 at 19:15

      Genau :*

  • Jay 8. Mai 2015 at 20:06

    Jetzt bIn ich auch mal ganz ehrlich: Wenn man sich über solche Dinge Gedanken macht (z.B. Gläschen oder nicht – ich meine, das Kind wird damit ja nicht gequält, sodass das Jugendamt eingeschaltet werden muss!!!), kann man eigentlich froh sein, da man ansonsten wohl keine Probleme hat…

    • kathi 8. Mai 2015 at 20:50

      Ehrlich ist immer gut 😉 ich denke aber so einfach ist das nicht… es ist halt ein Disukussionsthema – wie so viele. Auch bei Gruseltragen und schreien lassen kommt kein Jugendamt. Darum geht es ja auch nicht.

      Ich mag jetzt keine Links zum Thema Glasrückstände, Benzol und andere bedenkliche Inhaltsstoffe in Gläschen raus suchen.. es ist Wochenende! 🙂

      • Jay 9. Mai 2015 at 08:23

        Ich kenne genug (sehr gute, nicht gekaufte) Ärzte, die sagen, man solle Gläschen geben, da gesünder.. demnach 😉

        • kathi 11. Mai 2015 at 22:20

          Hm… ich tue mich immer schwer mit Argumenten dieser Art. „Aber ich kenne jemanden der hat xy gemacht…“ oder noch besser „bei mir is auch nix passiert.“ Wie die Dame im Möbelhaus, die mir einreden wollte, dass vorwärts fahren genauso sicher ist und bei ihr noch niiiiiie was vorgefallen ist. Schwierig, sorry.

  • AnnyS 8. Mai 2015 at 21:06

    Du hast es alles in allem schon sehr schön formuliert und man kann dazu auch nicht mehr all zu viel sagen, ich persönlich bin da sehr ähnlich wie du… ich habe meine Meinung und lass mich auch nur schwer anders überzeugen… ABER auch ich habe gelernt die anderen Mutter sein zu lassen… jeder so wie er es möchte und ich hüte mich davor anderen meine Meinung zu sagen – ich tu es nur noch gefragt… und dann sage ich immer dazu das es meine persönliche Einstellung ist!
    Für manche vielleicht auch ein Kopfschütteln wert 🙂
    Liebe Grüße Anny

  • Saskia 12. Mai 2015 at 10:33

    Hey,

    wie schön, so einen ehrlichen Artikel zu finden 🙂

    Die Idee, dass man ja gar nicht weiß, wieso ein Mensch handelt, ist sehr treffend.
    Bestimmt wanderst Du auch irgendwo mal herum und andere denken „Hä? Was macht sie denn da mit dem Kind?“ – was auch immer Du dann da eventuell machst. Es gefällt anderen vielleicht nicht.
    Und irgendwie gucken Menschen halt oft mal. Egal ob man trägt oder schiebt oder stillt oder eben nicht.

    Menschen fühlen sich gerne überlegen (vor allem wir Mamas, weil wir eh so viel Druck und Ansprüche ertragen und sehr selbstkritisch sind) und das können besonders wir Frauen sehr gut durch die Moral. Immerhin 80 % aller Gespräche handeln von Moral. Warum sollte man dis nicht tun oder das besser machen oder oder oder….

    Deshalb finde ich diesen Artikel herausragend gelungen, echt!

    Es ist ja ehrlich gesagt nicht so, dass man sich um das „schief gewickelte“ Tragekind sorgt. Man will sich eher der Mutter überlegen fühlen. Und da es also nicht um das Kind geht ist man ohnehin nicht der moralische Sieger einer solchen Situation, finde ich.

    Einfach durchatmen, sich kurz reflektieren und echte Toleranz und echtes Mitgefühl walten lassen. Schließlich sind es ja maßgeblich die Ängste vor den Gedanken und Kommentaren der anderen Mütter, die uns Mamas oft so unter Druck setzen. Ich persönlich sorge mich nie darum, um ein Vater oder ein/e Kinderlose/r mich irgendwie verurteilen könnte. Im Kopf verankerte gesellschaftliche Vorstellungen kommen doch eher von uns Müttern. Wenn man diesen Kreislauf durchbrechen würde, dann wäre das Mamasein gleich viel entspannter.

    Sehr guter Ansatz. Danke dafür und liebe Grüße!

    Saskia

  • Ulli 13. Mai 2015 at 12:48

    Hi Kathi,

    wenn ich das so lese, bin ich in deinen Augen die absolute Horrormami :). Ich weiß, dass du das nicht von mir denkst aber meine Entscheidung für einen Wunschkaiserschnitt, gegen das Stillen, für das Füttern von Gläschen und für das Anbieten eines Schnullers von Geburt an war meiner Meinung nach die Richtige und ich würde heute nichts anders tun. An unseren Zwergen sehe ich, dass ihnen das nicht geschadet zu haben scheint ;).

    Genau wie du geschrieben hast, lasse ich anderen Müttern die Entscheidung für ihren eigenen Nachwuchs und erwarte, dass mir gegenüber genauso viel Offenheit gezeigt wird. Meinungsunterschiede wird es immer geben aber solange die Mäuse geliebt, wohl behütet und sicher aufwachsen, kann man vieles gar nicht sooo falsch machen :).

    Liebe Grüße und euch ein schönes Wochenende.